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Rechtspflege. Zum Zwecke der Rechtspflege bestehen in unserer
Provinz 103 Amtsgerichte, 8 Landgerichte und 1 Oberlandesgericht.
Die Amtsgerichte haben die Ausgabe, bürgerliche Rechtsstreitigkeiten
leichterer Art (Streitigkeiten über das Mein und Dein) zu untersuchen
und zu entscheiden. Zur Untersuchung und Entscheidung der Vergehen
leichterer Art (einfacher Diebstahl, Betrug, Sachbeschädigung) werden
bei den Amtsgerichten Schöffengerichte gebildet, die aus einem Amts-
richter und zwei Schöffen bestehen. Amtsgerichte befinden sich in den
meisten größeren Orten. — Bürgerliche Streitigkeiten verwickelter Natur,
sowie eine Reihe leichterer Vergehen werden von den Landgerichten unter-
sucht und entschieden. Außerdem kann ein von dem Amtsgerichte
Verurteilter das Landgericht anrufen. Für die Verhandlung von
schweren Verbrechen (schwerer Diebstahl, Betrug im Rücksall, Totschlag,
Mord) treten bei dem Landgericht Schwurgerichte zusammen, die aus
drei Richtern und zwöls Geschworenen bestehen. Landgerichte befinden
sich in Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Stade, Osnabrück, Aurich,
Göttiugen und Verden. — Das Oberlandesgericht entscheidet, wenn gegen
das Endurteil eines Landgerichts Berufung eingelegt wird. Unser
Oberlandesgericht ist in Celle; über diesem steht nur das deutsche Reichs-
gericht iu Leipzig.
Kirchenwesen. Die oberste geistliche Behörde für die evangelisch-
lutherische Kirche unserer Proviuz ist das Königliche Landcskonsistorium in
Hannover. In wichtigen Entscheidungen wirkt der Provinzial-Synodal-
Ausschuß mit. Außerdem wird mindestens alle sechs Jahre die Provinzial-
^nn^de einberufen. Unter dem Landeskonsistorinm stehen die Königlichen
Konsistorien zu Hannover und Aurich. Jeder Konsistorialbezirk ist zunächst
in General-Superiutendenturen geteilt, diese wiederum in Inspektionen,
an deren Spitze der Superintendent steht, der in dem Bezirks-Synodal-
Ausschuß für wichtige Fälle eine mitwirkende Behörde hat. Außerdem
tagt alljährlich oder alle zwei Jahre die Bezirkssynode. Die einzelne
Kirchengemeinde wird von dem Geistlichen (Pastor, Prediger) geleitet,
welcher den Kirchenvorstand zur Seite hat. Dem Konsistorium zu Aurich
sind auch sämtliche reformierte Kirchengemeinden unserer Provinz unterstellt.
Diese Behörde besteht deshalb aus lutherischen und reformierten Mit-
gliedern. Die katholifchen Kirchengemeinden östlich der Weser stehen
unter dem Bischof von Hildesheim, diejenigen westlich der Weser unter
dem Bischof von Osnabrück.
Schulwesen. Die Volksschulen eines jeden Regierungsbezirkes
werden von der Königlichen Regierung geleitet. Die Schuleu eines
kleineren Bezirkes, gewöhnlich eines oder mehrerer Kreise, beaufsichtigt
der Kreisschulinspektor, d. i. iu deu meisten Fällen der Superintendent,
die Schulen einer Kirchengemeinde der Ortsschulinspektor, d. i. in den
meisten Fällen der Ortsgeistliche. Die Leitung des Volksschulwesens in
einer einzelnen Gemeinde liegt dem Schulvorstande ob, welcher aus dein
Ortsschulinspektor, dem (ersten) Lehrer und einigen Schnlvorstehern
besteht, Jfa den Städteu sind jedoch auch andere Einrichtungen gestattet.
j
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
4
Mittlere Geschichte.
der Franken, Bischof Gregor von Tours: „So fällte Gott täglich seine Feinde
unter feiner Hand, darum, daß er mit rechtem Herzen vor ihm wandelte und that,
was seinen Augen wohlgefiel."
Chlodwig genoß die Früchte seiner Frevelthaten nicht lange. Er
starb schon 511 in seiner Hauptstadt Paris, erst 45 Jahre alt. Sein
Reich wurde unter seine vier Söhne verteilt.
6. Das Lehnswesen. Das fränkische Reich war von Anfang an
stark und fest durch das L eh ns wesen. In den vielen Kriegen wurde
das eroberte Land größtenteils Königseigentum. Der König teilte es
mit seinem Gefolge, und jeder erhielt sein Losteil als freies Eigentum,
als Allod. Dennoch behielt der König für sich so viel, daß er den Ge-
treusten und Höchsten seines Gefolges noch Land geben konnte, das ihm
zwar eigen blieb, jenen aber zur Nutznießung gelehnt war. Ein solches
Land hieß Lehen (feudum, beneficium, d. i. Wohlthat). Der Geber
war der Lehnsherr, der Empfänger hieß Lehnsmann oder Basall.
Der Vasall besaß das Lehen, wenn er es nicht durch Treulosigkeit
(Felonie) verwirkte, gewöhnlich auf Lebenszeit. Abgaben bezahlte der
Lehnsmann davon nicht; nur war er in jedem Streite zur Heeresfolge
verpflichtet; auch mußte er von Zeit zu Zeit Hofdienst leisten, d. h. an
dem Hofe erscheinen. Auch die Häupter der Kirche, die Bischöfe und
Erzbischöfe, meist Welsche, wurden nicht mit Geld besoldet, sondern er-
hielten Lehen. Dadurch wurde die Kirche bald reich und konnte selbst
kleine Lehen austeilen, ebenso wie die großen Vasallen dies thaten. Solche
kleinere Lehen waren: einzelne Städte, Burgen und Schlösser, Fischereien,
Wälder, Weinberge, Salzpfannen, Mühlen, Brauereien, Häuser, Höfe,
selbst einzelne Hufen. Vor allem aber wurden Klöster mit ihren reichen
Einkünften oft an weltliche Große gegeben. Später galten auch Ämter,
wie die der Schultheißen, Vögte und Grafen, als Lehen. Für diese
niederen Lehen wurden entweder geringe Dienste verlangt, z. B. den
Wagen eines Klosters zu geleiten und gegen räuberische Anfälle zu
schützen, den Abt zu Pferde zu begleiten oder ihm das Pferd zu leihen;
oder es wurde für den Nießbrauch des Lehens ein jährlicher Zins gezahlt.
Aus den kleinen Lehnsleuten entstand der niedere, aus den höchsten
der hohe Adel.
Ii. Zustinian; 527-565.
3. Fall des Vandalenreichs. Als das weströmische Reich
bereits untergegangen war, gelangte das oströmische unter dem Kaiser
Justinian noch einmal zur Blüte. Er kehrte seine Waffen zunächst
gegen das Vandalenreich in Afrika. Sein Feldherr Belisar zog
siegreich in die Hauptstadt Karthago ein, und das Vandalenreich wurde
534 eine oströmische Provinz.
Der einst so kräftige Stamm der Vandalen hatte unter der heißen Sonne
Afrikas und bei der veränderten Lebensweise seine alte Kraft verloren. Sein König
verteidigte sich in einem Bergschlosse des Atlas drei Monate lang. Dem Verhungern
nahe, ließ er den feindlichen Hauptmann, der ein Deutscher war, um drei Dinge
bitten: um ein Stück Brot, seinen Hunger zu stillen, um einen Schwamm, seine
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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TM Hauptwörter (200): [T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T192: [Italien Reich Gallien Volk Land Römer Donau Hunnen Jahr König], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten]]
Extrahierte Personennamen: Gregor_von_Tours Gregor Chlodwig
Mittelalterliche Zustände.
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der Wohnort des zu Ladenden unbekannt, so wurden vier schriftliche Ladungen aus-
gefertigt und je eine an vier Orten des Landes, in welchem der Angeklagte vermutlich
sich aushielt, aus Kreuzstraßen gegen Osten, Süden, Westen und Norden aufgesteckt.
Der Geladene hatte sich an einem ihm bestimmten Orte einzufinden; hier empfing ihn
ein Schöffe und führte ihn nach dem Freistuhle.
Es wurde gegen den Angeklagten entschieden, wenn der Ankläger
sein Wort beschwur und andere achtbare Männer die Ehrenhaftigkeit des
Anklägers — nicht das Vergehen des Angeklagten — bezeugten. Be-
kannte dieser, oder wurde er überführt, so sprachen die Schöffen das
Urteil; war es die Todesstrafe, so wurde er gleich, meistens von dem
jüngsten Schöffen, an den nächsten Baum gehängt. Gelindere Strafen
waren Landesverweisung und Geldbuße. War der Angeklagte ein Schöffe,
so verwandelte sich das offene Gericht in ein heimliches, d. h. es wurde
allen Nichtwissenden bei Todesstrafe geboten, sich zu entfernen. Diese
„heimliche Acht" fand auch statt,'wenn der Geladene nicht erschien.
Die Vorladung wurde dann noch zweimal wiederholt; stellte er sich
auch dann noch nicht, so galt er als schuldig und ward verfemt, d. i.
in die Acht des Femgerichts erklärt. Daher der Name Femgericht.
Dann ward der Name des Verurteilten in das Blutbuch geschrieben,
und der also Verfemte war von jetzt an von unsichtbaren Handen ver-
folgt. Keiner durfte das Urteil verraten; wer ihn warnte oder ihm Bei-
stand leistete, ward selber vor den Freistuhl geladen. Jeder Wissende
hatte die Pflicht, das Urteil zu vollstrecken; wo er des Verfemten habhaft
werden konnte, im Hause oder auf der Straße, da stieß er ihn nieder
oder henkte ihn. Zum Zeichen, daß der Getötete durch die Feme
gefallen, ließ man ihm alles, was er hatte, und steckte ein Messer neben
ihm in die Erde. Die Wissenden hatten sogar das Recht, einen auf
handhaft er That ertappten Missethäter auf der Stelle niederzustoßen,
wenn sie ihm nur nichts nahmen und die Femzeichen zurückließen.
So war dieser Bund von vielen tausend Männern aus allen Stän-
den und allen Gegenden Deutschlands ein starker Schutz für den Frieden
im Reiche; mancher Bösewicht, der vielleicht durch Bestechung den Händen
der Gerechtigkeit entgangen war, erhielt durch die Feme seinen verdienten
Lohn, und Fürst und Ritter erbebten hinter ihren festen Mauern, wenn
in stiller Nacht vor ihrem Thore der Ruf der Freischöffen erscholl. Selbst
Kaiser Friedrich Iii. und sein Kanzler wurden zweimal vor den Freistuhl
geladen. Aber bei der ungeheuren Zahl der Wissenden (im 13. und
14. Jahrhundert 100 000) konnte es nicht fehlen, daß Unwürdige auf-
genommen wurden, welche die ihnen anvertraute Macht zur Befriedigung
ihrer Leidenschaft und Rache mißbrauchten. Schon gegen das Ende des
15. Jahrhunderts wurden mehrfach Klagen gegen die'freigerichte erhoben;
die Fürsten mochten eine solche Gewalt nicht neben sich dulden, und als
nun überall eine bessere öffentliche Rechtspflege eingeführt wurde, erlosch
die Macht der heimlichen Gerichte von selbst, ohne daß man das Ende
derselben genau angeben könnte.
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Iii Friedrich
Heinrich Iv.
41
Aber niemals hat er Hanno jenen Tag vergessen. Heinrich war ein
Knabe von hohen Anlagen des Geistes und des Körpers, und durch eine
bessere Erziehung hätte sein feuriger Mut und sein ritterlicher Sinn leicht
auf das Höchste gelenkt werden mögen; jetzt aber waren seiner Seele
Bitterkeit und Groll eingepflanzt, und er ließ stch leicht zu Gewaltthaten
und Ausschweifungen hinreißen, die dann durch Verleumdung seiner Feinde
nur noch vergrößert wurden.
Seitdem die Mutter Heinrichs nach Rom in ein Kloster gegangen,
war Adalberts Einfluß auf den jungen König unbegrenzt; er suchte den
Neigungen und Launen des Königs auf jede Weise zu willfahren. Durch
seine Eitelkeit, Herrschsucht und Habgier brachte er es dahin, daß er
nach wenigen Monaten verhaßt war. Auf einer Fürstenversammlung zu
Tribur, südöstlich von Mainz, erklärten die Großen des Reiches dem
Könige, er solle entweder seine Krone niederlegen oder Adalbert entlassen.
Heinrich wählte das letztere und geriet abermals unter Vormundschaft
der Fürsten. (1065.)
o. Kampf mit den Sachsen. 1069 kehrte Adalbert in seine alte
Stellung zurück; seine größten Feinde waren die Sachsen, insbesondere
deren mächtiges Herzogsgeschlecht, die Billunger, die den herrschsüch-
tigen Bischof oft an der Vergrößerung seines Bistums gehindert hatten.
Den Haß gegen diese pflanzte er auch der Seele des jungen Königs ein.
Heinrich lebte meistens im Sachsenlande, zu Goslar, und legte in den
Bergen des Harzes und Thüringens starke Burgen an. 1 Die vorzüg-
lichste war die Harzburg, * Heinrichs Lieblingssitz. Die Sachsen sahen
durch diese Zwingburgen ihre alte Freiheit bedroht; auch weigerten sie
stch, den König, während er in ihrem Lande lebte, — der Sitte gemäß —
zu unterhalten, da er fast immer da war; Heinrich mußte deshalb seinen
Lebensunterhalt oft für Geld kaufen. Auch erzählte man sich in Sachsen,
Heinrich habe, von einer Bergeshöhe das Land beschauend, geäußert:
„Sachsen ist ein schönes Land, aber die es bewohnen, sind verworfene
Knechte."
Als Heinrich 1069 bei Otto von Nordheim auf einem Gute desselben zum Besuch
war, wurde nachts auf den Ritter, welcher vor des Königs Schlafgemach Wache hielt,
ein Mordanschlag gemacht, der aber fehlschlug. Da trat ein gewisser Egino mit
der Behauptung auf, es sei der Mord des Königs beabsichtigt gewesen, Herzog
Otto habe ihn selbst zum Mörder gedungen. Dabei erbot er sich, seine Aussage auf
jede Weise, auch durch ein Gottesurteil zu erhärten. Otto leugnete und behauptete,
Egino nie gesehen zu haben. Der König forderte ein Gottesurteil durch Zweikampf.
Egino hatte einen sehr üblen Ruf; dennoch wollte Otto gegen den Rat seiner Freunde
sich mit ihm ichlagen, wenn Heinrich ihm sicheres Geleit gewähren wollte. Heinrich
weigerte sich, ihm ein Geleit, wie er cs forderte, zu versprechen; daher stellte Otto
sich nicht. Da ward er durch die Fürsten in die Acht erklärt, sein Herzogtum, seine
Lehen und Allode wurden eingezogen. Otto setzte sich zwar zur Wehr, mußte sich
aber schon Ostern 1011 mit seinem Freunde, dem jungen Herzoge Magnus von
Sachsen, und anderen vornehmen Männern unterwerfen. Otto wurde bald wieder
1 Heinrichs Baumeister war der Bischof Benno von Osnabrück. -Die
Burg stand auf dem Burgberge bei dem Orte Harzburg, südöstlich von Goslar.
Geringe Mauerreste sind noch vorhanden. Der Berg trägt jetzt ein Gasthaus, sowie
ein Denkmal des Fürsten Bismarck.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Iv Heinrich Hanno Heinrich Heinrich Heinrichs Adalberts_Einfluß Heinrich Heinrich Heinrich Heinrichs_Lieblingssitz Heinrichs Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Otto Otto Otto Egino Otto Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Otto Otto Magnus Magnus Otto Heinrichs Heinrichs Benno_von_Osnabrück
22
Mittlere Geschichte.
welche monatlich das Gaugericht abhielten. Unter ihnen standen an
der Spitze der Gemeinden die Centgrafen. Zur Überwachung und
Unterstützung der Gaugrafen bereisten alle Vierteljahr zwei Send grafen
mehrere Gaue; sie mußten auf den Reichsversammlungen darüber
Bericht erstatten. In jedem Frühjahre wurde eine Volksversammlung
aller Freien, das Maifeld, abgehalten. Karl untersiegelte die von
ihm bestätigten Beschlüsse dieser Versammlung mit einem Petschaft, das
in seinen Degenknopf eingegraben war. Diese Gesetze hießen wegen
ihrer Einteilung in Kapitel Kapitularien. Auf den Reichsversamm-
lungen erhielt Karl auch die üblichen Geschenke.
Längs der Grenzen des Reichs bestanden zur Verteidigung desselben
die Marken, deren wehrhafte Bewohner unter dem Markgrafen
stets kriegsbereit sein mußten. Sonst hielt der König im Frieden nur
eine kleine Schar stehender Truppen, Gefolge genannt; im Kriege bot
er seine Vasallen auf, zu welchen auch die Geistlichen — Erzbischöfe,
Äbte — gehörten. Außerdem konnte der König auch den Heerbann
der Freien aufrufen. Meistens wurden nur diejenigen Mannschaften
aufgeboten, welche dem Kriegsschauplätze am nächsten wohnten.
An dem Christentume hing Karl mit ganzer Seele; nie ver-
säumte er ohne Not den Gottesdienst. Die Bischöfe wurden wegen ihrer
hohen Bedeutung den Grafen gleichgeachtet; Karl unterwarf sie aber auch
einer strengen Aufsicht und untersagte ihnen die Jagd, das Tragen der
Waffen, den Besuch von Wirtshäusern und Schauspielen. Den Zehnten
ließ er mit aller Strenge eintreiben und nahm auch seine Güter nicht
aus. Er gewährte reiche Mittel zum Bau von Kirchen und Klöstern
und machte den Mönchen zur Pflicht, neben den gottesdienstlichen Ver-
richtungen in den Klosterschulen Knaben und Jünglinge zu unterrichten,
Armen und Kranken hülfreich zu sein und Wanderern Obdach zu ge-
währen. Besondere Sorgfalt wandte er auch auf die Verbesserung des
Kirchengesanges.
Um die geistige Bildung seiner Völker zu heben, legte Karl
Schulen an, die mit den Kirchen und Klöstern verbunden waren, und
in denen Lesen, Schreiben und die christliche Lehre die Hauptgegenstände
des Unterrichts ausmachten. Zu Lehrern berief er geschickte Männer aus
Griechenland und Italien. Der größte war Alkuin, ein Angelsachse
von Geburt.
Karl ließ zur Verbesserung des Kirchengesangcs aus Italien Orgeln kommen
und brachte selbst zwei Gesanglehrer von dort mit, die zu Metz und Soissons Sing-
schulen anlegen mußten. Aber die rauhen Kehlen der Franken gewöhnten sich nur
schwer an den Kirchengesang; ihren Gesang verglichen die italienischen Gesanglehrer
mit dem Geheul wilder Tiere und mit dem Rumpeln eines Lastwagens, der über
einen Knüppeldamm fährt. Um die heilige Schrift verständlicher zu machen, ließ
Karl einen Teil derselben in die deutsche Sprache übersetzen; die Predigten mußten in
deutscher Sprache gehalten werden; auch ließ er eine Sammlung von Predigten und
Betrachtungen aus den Kirchenvätern veranstalten, die den Namen Postille1 erhielt.
1 Diese Betrachtung folgte der Vorlesung des Textes und begann mit den
Worten: xost illa (nämlich: verba textus, — d. h. nach jenen Worten des Textes);
daher der Name.
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl
60
Mittlere Geschichte.
hatte ihn in den Bann gethan. Über zwei Jahre wurde die Stadt be-
lagert. Alle, welche derselben Zufuhr bringen wollten, verloren die rechte
Hand; um die Grausamkeiten der Mailänder zu rächen, ließ der Kaiser
den größten Teil der Gefangenen aufhängen. Bald wurden die Mai-
länder vom Hunger geplagt, denn der Mundvorrat wurde immer kleiner;
sie wurden uneinig, ob sie dem Kaiser einen Vertrag vorlegen oder sich
ihm auf Gnade und Ungnade ergeben sollten. Endlich wurde die Unter-
werfung beschlossen. Die Stadt wurde streng bestraft, und Friedrich
kehrte nach fünfjähriger Abwesenheit nach Deutschland zurück.
Am 1. März 1162 erschienen vor Friedrich die mailändischen Konsuln und
andere Edle, knieend und mit bloßen Schwertern aus dem Nacken, übergaben ohne
Bedingung die Stadt und leisteten die ihnen vorgeschriebenen Eide sür sich und alle
übrigen Mailänder. Acht Tage später kamen mehr als 300 auserlesene Ritter, fielen
vor dem Kaiser nieder und übergaben die Schlüssel der Stadt und die Hauptfahnen.
Nach zwei Tagen kam das ganze Volk und die übrige Ritterschar mit dem C ar-
ro ccio (spr. Karrottscho), dem riesigen Fahnenwagen der Stadt. Alle Behörden und
Bürger waren mit dem Bußgewande bekleidet, hatten Stricke um den Hals, Asche
auf dem Haupte und Kreuze in den Händen. Krieger und Volk fielen einmütig aus
ihr Antlitz, wehklagten, streckten das Kreuz empor und flehten im Namen desselben
um Gnade. Der Kaiser versprach nach reiflicher Überlegung, Gnade zu üben, und
entließ sie. Am folgenden Tage verkündigte er ihnen das Gericht: alle Vornehmen
behielt er als Geiseln; alle in der Stadt, welche über zwölf Jahre alt waren, mußten
ihm die Huldigung leisten. Die Stadtthore und die Mauern mußten abgetragen, die
Gräben zugedämmt werden. Daraus sprach der Kaiser die Mailänder für ihre Person
vom kaiserlichen Banne los; doch mußten sie binnen acht Tagen die Stadt verlassen,
um sich an vier Flecken ihres Gebiets, immer zwei Meilen auseinander, niederzulassen.
Bei dem Abtragen der Mauern halfen besonders die Bewohner der Städte Lodi,
Pavia und Como, die Mailand feindlich waren. Über die eingerissenen Mauern
zog der Kaiser siegprangend in die Stadt. Dieselbe war nur eine Masse offener,
menschenleerer Häuser und glich einem Totenhause. — Nach diesem Gerichte setzte sich
der Kaiser die Krone wieder auf.
Dritter und vierter Zug. 1163 und 1166. Schon 1163 befand
Barbarossa sich auf seinem dritten Römerzuge. Alle lombardischen
Städte klagten laut über den Druck der kaiserlichen Beamten, aber Frie-
drich wies 'sie mit ihren Klagen ab. Da erklärten die Städte: „Gehorsam
dem Kaiser in allen billigen Dingen, aber Widerstand gegen jeden Miß-
brauch der Gewalt." Sie thaten'sich zusammen und bildeten den lo m-
bardischen Städtebund. Auch Mailand, das wieder aufgeblüht
war, gehörte demselben an. Der Kaiser fühlte sich dem Bunde gegen-
über nicht stark genug, sondern eilte nach Deutschland zurück, um ein
neues Heer zu holen. Die Feinde bauten unterdes ihm zum Trotze und
dem Papste Alexander zu Ehren die Stadt Alessandria am
Tanaro. Als dann Friedrich 1166 den vierten Zug unternahm
und bis Rom vordrang, tötete das Sumpffieber den schönsten Teil seines
Heeres. Er mußte nach Oberitalien zurück und ächtete von Pavia aus
die Städte des lombardischen Bundes. Heimlich und mit Lebensgefahr
gelangte er durch das empörte Land in die Heimat.
Fünfter Zug. 1174. Erst 1174 konnte Friedrich zum fünsten-
mal nach Italien kommen. Zunächst belagerte er die Festung Alessan-
dria. Es war Winter, der sumpfige Boden wurde von häufigem Regen
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Karrottscho Barbarossa Barbarossa Alexander Alexander Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Pavia Mailand Mailand Deutschland Alessandria Tanaro Rom Oberitalien Pavia Italien
62
Mittlere Geschichte.
1183 jährigen Waffenstillstand. Der Friede erfolgte erst 1183 zu^K.'on-
stanz. In diesem Frieden erwarben sich die Städte freie Selbstverwal-
tung und das Recht, ihre Behörden selbst zu wählen; sie wurden freie
Republiken und waren dem Kaiser nur dem Namen nach Unterthan.
c. Strafgericht über Heinrich den Löwen. 1177 kehrte Friedrich
nach Deutschland zurück, um Heinrich den Löwen für seinen Abfall
zu strafen. Auch viele deutschen Fürsten, denen Heinrich in den Tagen
seiner Macht Unrecht gethan hatte, beklagten sich über ihn. Ihnen zum
Trotze hatte er vor semer Burg einen ehernen Löwen errichtet. Dreimal
rief der Kaiser Heinrich vor sich; aber der Löwe kam nicht. Da sprach
Friedrich die Acht über ihn aus und beraubte ihn seiner Herzogtümer.
(1179.) Bayern erhielt Otto von Wittelsbach, Sachsen der
Askanier Bernhard, ein Sohn Albrechts des Bären. Jetzt erhob
der Löwe zu einem verheerenden Kriege die Waffen und widerstand zwei
Jahre allen seinen Feinden: er zerstörte Goslar mit seinen Bergwerken
und Münzstätten und legte Halberstadt in Asche. Aber Friedrich
drang in das Herz seiner Lande vor; in Stade (nahe der unteren Elbe)
wurde der Herzog eng belagert. Als endlich auch das mächtige Lübeck
sich ergeben mußte, flehte Heinrich um Gnade. In Erfurt (1181) warf
er sich dem Kaiser zu Füßen; dieser war von solchem Wiedersehen gerührt
und hob ihn vom Boden auf, indem er sprach: ,,Du bist das eigene
Werkzeug deines Falles!" Unter dem Beirat der Fürsten hielt er Gericht
über Heinrich: die Herzogtümer blieben ihm genommen; nur seine Allode,
die braunschweig-lüneburgischen Länder, durfte er behalten. Dazu mußte
er drei Jahre in die Verbannung; er ging zu seinem Schwiegervater,
dem Könige von England.
6. Feste. So war Friedrichs Macht wieder hergestellt; ein großes
Reichs fest zu Mainz (Pfingsten 1184) wurde der Spiegel seiner
Herrlichkeit. Auf diesem Feste empfingen die beiden ältesten Söhne des
Kaisers von diesem den Ritterschlag. Die Menge der Gesandten, wie
der weltlichen und geistlichen Fürsten war so groß, daß man auf der
Rheinebene eine Zeltstadt bauen mußte. Allein 70 000 Ritter waren
herbeigekommen. Das Gefolge des Erzbischofs von Köln war über 4000
Mann stark. Alle Gäste wurden drei Tage lang vom Kaiser aufs herr-
lichste bewirtet; überall herrschte Lust und Freude. Der Kaiser selbst
ritt bei den Turnieren in die Schranken und war der Mittelpunkt des
Festes.
In demselben Jahre (1184) ging Friedrich zum sechstenmal
nach Italien und wurde überall freudig empfangen. In Mailand wurde
sein Sohn und Nachfolger Heinrich Vi. mit der normännischen Prin-
zessin Konstantia, der Erbin von Neapel und Sicilien, vermählt.
6. Kreuzzug und Tod. Da erschütterte plötzlich die Schreckens-
nachricht Europa, daß Jerusalem von dem ägyptischensultan
1187 erobert worden sei. Christliche Ritter hatten ihn dadurch gereizt, daß
sie seine Mutter auf einer Reise überfallen und ihre Begleiter getötet
hatten. Er besiegte das Christenheer und erschlug den Verräter mit
eigener Hand. Jerusalem fiel nach diesem Siege in seine Hand; hier
wurden die Kreuze abgebrochen und die heiligen Gefäße der Christen aus
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Friedrich Friedrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Friedrich Friedrich Otto_von_Wittelsbach Otto Bernhard Albrechts Friedrich Friedrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Friedrichs Friedrichs Friedrich Friedrich Heinrich_Vi Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Sachsen Goslar Stade Erfurt England Mainz Rheinebene Italien Mailand Neapel Sicilien Europa Jerusalem Jerusalem
32
Mittlere Geschichte.
seine Lehnsmänner sein, die er nach seinem Willen ein- und absetzen
wollte. Dieses kühne Streben des jungen Königs wurde vor allem von
den Franken ungern gesehen. Ihr Herzog Eberhard hatte einst
Heinrich I. selbst die Krone gebracht, ihr Geschlecht hatte den König
Konrad geliefert. Deshalb reizte es Eberhard zur Fehde, als sein Lehns-
mann Brüning in Sachsen ihm offen den Gehorsam verweigerte.
„Die Sachsen waren stolz darauf geworden, daß die königliche Herrschaft
an ihren Stamm gekommen war, und wollten keinem Manne anderen
Stammes mehr dienen. Trugen sie von einem solchen ein Lehen, so
leisteten sie ihm als ihrem Lehnsherrn nicht die gebührende Ehre, sondern
thaten, als ob sie alles nur dem Könige zu danken hätten." (Widukind.)
Mit vielen fränkischen Großen rückte Eberhard vor die Burg Brünings
und steckte sie in Brand. Weil er nun die Fehde begonnen hatte, ohne
vor den Richterstuhl des Königs zu treten, bestrafte ihn Otto als einen
Landfriedensbrecher: er verurteilte ihn zu einer Buße von hundert Pfund
Silber, deren Wert er in edlen Rossen zahlen sollte; seine Großen aber
mußten zu ihrer Schande öffentlich Hunde, die an den Füßen gefesselt
ihnen um den Hals gehängt wurden, zum Könige nach Magdeburg
tragen. Dann wurde Eberhard von dem Könige gnädig empfangen und
sogar beschenkt. Aber des Königs Gnade hatte ihn nicht versöhnt, son-
dern erbittert; auch konnte er es nicht vergessen, daß Otto ihm die
reichen Lehen nicht ließ, die er einst von Heinrich erhalten.
Auch der Bayernherzog erhob sich gegen Otto 938. Aber Otto setzte
ihn ab und nahm ihm alle Rechte, die ihm einst sein Vater hatte lassen
müssen. Namentlich wollte Otto die Bistümer in Bayern selbst besetzen.
Unterdessen hatte sich Eberhard mit T Hank mar, dem ältesten
Bruder Ottos, verbunden. Dieser stammte aus einer früheren Ehe Hein-
richs, die aber vom Papste wieder getrennt war, weil die Frau sich schon
früher dem Kloster geweiht hatte. Eberhard und Thankmar verwüsteten
Westfalen, und letzterem gelang es sogar, seinen Stiefbruder, den
jüngeren Bruder Ottos, Heinrich, in dunkler Nacht beim Überfall einer
Festung gefangen zu nehmen. Wie einen gemeinen Knecht führte er ihn
gebunden dem Eberhard zu. Dann setzte er sich in der alten Eres-
burg fest und verwüstete mit seinen Scharen weit und breit das Land.
Da mußte Otto, so schwer es ihm auch fiel, die Burg belagern. Als die
Bewohner ihm die Thore öffneten, suchte Thankmar Schutz in der Kirche
des Orts, weil nach dem Brauche der Zeit jeder in den Kirchen eine sichere
Zuflucht haben sollte. Aber wütend erbrachen die Männer Ottos das
Heiligtum. Thankmar stand am Altar, seinen Schild und seine goldene
Kette, das Zeichen seiner vornehmen Geburt, hatte er, bis zum Tode
erschöpft, hier niedergelebt. Heiß entbrannte im Gotteshause der Streit.
Da traf ihn rücklings em Speer, der durch das Kirchenfenster auf ihn
geschleudert war. Ein Krieger Ottos gab ihm den letzten Stoß und
raubte die goldene Kette des Königssohnes vom Altare. Tiefbetrübt
vernahm Otto die Kunde und beklagte das Schicksal des unglücklichen
Bruders. Vier von Thankmars Anhängern wurden nach fränkischem
Rechte gerichtet und fanden durch den Strang den Tod. Die sächsi-
schen Burgen ergaben sich dem Könige wieder. Eberhard erhielt durch
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TM Hauptwörter (100): [T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T171: [Heinrich Otto Herzog Kaiser König Friedrich Sohn Konrad Sachsen Schwaben], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T132: [König Karl Italien Otto Kaiser Papst Reich Sohn Rom Jahr]]
Extrahierte Personennamen: Eberhard Heinrich_I. Konrad Eberhard Eberhard Otto Eberhard Otto Heinrich Heinrich Otto Otto Otto Eberhard Ottos Eberhard Ottos Heinrich Heinrich Eberhard Otto Ottos Ottos Otto Thankmars_Anhängern Eberhard
Mittelalterliche Zustände.
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lang die Schnäbel an den Schuhen sein dürften, wie viel Schüsseln bei Hochzeiten
und Kindtaufen aufgetragen werden dürsten u. s. w.
Um aber außerhalb der bergenden Mauer ungestört Handel treiben,
die reichen Warenzüge befördern zu können, schloffen die verschiedenen
Städte unter einander Bündnisse. So entstanden der rheinische und
der schwäbische Städtebund. 1241 schlossen Lübeck und Hamburg einen
Vertrag; sie wollten Schiffe ausrüsten und Bewaffnete stellen, um das
Land zwischen der Elbe und Trave (bei Lübeck) und ebenso die Gewässer,
auf denen sie ihre Waren ins Meer schickten, gegen jede Räuberei sicher
zu stellen. Das war der Anfang der Hansa, d. i. Bund. Bald
schlossen sich mehrere Städte an, nach etwa 100 Jahren gehörten ihr
gegen 100 Städte an.
In vier große Quartiere war der Bund eingeteilt, deren Hauptstädte Lübeck,
Braunschweig, Köln und Danzig waren. Den ganzen Handel der Ostsee und
auch größtenteils den der Nordsee zogen die Hansastädte an sich; die Heringsfischerei war
fast ganz in ihren Händen. Bier große Warenniederlagen besaßen sie: zu Nowgorod
in Rußland, zu Bergen in Norwegen, zu Brügge in Flandern und zu London.
So wurde der Bund bald reicher und mächtiger als manche Königreiche. Er zwang
den König von Frankreich, den Engländern allen Handel an den französischen Küsten
zu verbieten, und nötigte England, den Frieden mit ihm um 10 000 Pfund Sterling
zu erkaufen; er entthronte den König von Schweden und eroberte viermal Kopenbagen.
1421 rüstete er gegen diese Stadt eine Flotte von 248 Schiffen mit 12 000 Reitern aus.
Im 15. Jahrhundert verfiel die Hansa allmählich; sie hatte jetzt weniger Be-
deutung, weil kräftigere Fürsten selbst für Ordnung und Sicherheit sorgten. Eine
Stadt nach der anderen trat vom Bunde zurück; zuletzt blieben nur Bremen,
Hamburg und Lübeck, die 1630 noch einmal den Bund erneuerten und bis heute
den Namen Hansastädte führen.
Während die Ritter auf ihren Burgen, die Städter hinter den festen
Mauern sicher wohnten, waren die Bauern in ihren Stroh- und Lehm-
hütten ohne allen Schutz. Sie waren ganz in der Gewalt desjenigen
Herrn, auf dessen Gebiete ihre Wohnung stand und konnten von diesem
nach Willkür mit Abgaben belastet werden. Ihre Saaten wurden in
den Fehden oft zertreten; ganze Dörfer wurden von den Raubrittern
..ausgepocht", d. h. alles Vieh, das beste Hausgerät, Betten, selbst
die notwendigsten Kleidungsstücke wurden mitgenommen.
Mancher Bauersmann flüchtete sich wohl in die benachbarte feste
Stadt und ward frei; andere erlangten ihre Freiheit dadurch, daß sie
am Kreuzzuge teilnahmen, oder daß ihr Herr denselben mitmachte und
— wie dies oft geschah — vorher alle seine Knechte freigab. Doch im
ganzen führte der Bauernstand im Mittelalter ein trauriges Leben.
3) Aas Gerichtswesen. Aie Aemgerichte.
In den ältesten Zeiten .konnte jeder Freie an dem Gerichte teil-
nehmen; Karl der Große aber führte die Schöffen ein, d. i. eine
bestimmte Anzahl achtbarer Freie, welche beeidigt waren und unter Vorsitz
des kaiserlichen Grasen nach Gewohnheit und Herkommen richteten. All-
mählich entstanden auch Sammlungen solcher Gewohnheitsrechte, so zu
Anfang des 13. Jahrhunderts der S a ch se nsp i e g e l für Norddeutschland
und der Schwabenspiegel für Süddeutschland. Die Gottesurteile
kamen im 15. Jahrhunderte ab; dagegen kam die Folter in Gebrauch.
1241
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
TM Hauptwörter (200): [T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T31: [Jahrhundert Schweden Norwegen Dänemark König Ende Jahr Anfang England Mitte], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung]]
Extrahierte Personennamen: Karl
Extrahierte Ortsnamen: Hamburg Braunschweig Danzig Ostsee Norwegen Flandern London Frankreich England Schweden Bremen Hamburg Norddeutschland
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Mittl ere Geschichte.
Durch furchtbare Marterwerkzeuge — Peitschenhiebe, Zusammenschnüren,
Zusammenpressen und Ausrecken einzelner Glieder, Kneifen mit glühenden
Zangen — suchte man das Geständnis von dem Angeklagten zu er-
zwingen.
Eine eigentümliche Erscheinung der mittelalterlichen Rechtspflege find
die Femgerichte. Als nämlich die alte Gauverfassung sich allmählich
auflöste und die Grafenwürde erblich wurde, verloren die Freien viel
von ihren Rechten. In Westfalen aber, das meistens geistlichen Herren
gehörte, behaupteten die Einwohner noch lange ihre Unmittelbarkeit unter
Kaiser und Reich und ihr altgermanisches Gericht. Der Graf, welcher
dem Gerichte vorsaß, war noch immer kaiserlicher Beamter; weil er über
Freigebliebene richtete, nannte er sich Fr ei graf, die Schöffen hießen
Freischöffen und der Gerichtsbezirk Freigrafschaft oder Freistuhl.
Der oberste Freistuhl war zu Dortmund. Hier versammelten sich
jährlich einmal alle Freigrafen, fanden neue Rechtsgrundsätze und ver-
warfen oder bestätigten die Urteile der Freigerichte, wenn Berufung er-
hoben war. Die Freigrafen erkannten nur den Kaiser über sich an und
den Erzbischof von Köln, der als Herzog von Westfalen des Kaisers
Stellvertreter und oberster Stuhlherr war. Die Freigerichte beschränkten
sich indes nicht auf Westfalen, sondern als kaiserliche Gerichte hielten sie
sich verpflichtet, überall Schutz und Recht zu schaffen, wo von dem
ordentlichen Richter dies nicht geschah.
Die Schöffen hatten unter sich eine heimliche Losung, durch die sie
einander erkannten; daher hießen sie Wissende. Jeder Deutsche konnte
Wissender werden, wenn er durch zwei Schöffen darthun konnte, daß er
frei und ehelich geboren und untadeligen Rufes sei; aber nur in West-
falen (auf roter Erde) konnte er aufgenommen werden. Bei dieser
Aufnahme mußte er schwören: „Ich gelobe, die heilige Feme halten zu
helfen und zu verhehlen vor Weib und Kind, vor Vater und Mutter,
vor Schwester und Bruder, vor allem, was zwischen Himmel und Erde
ist." Ein Freischöffe, der seinen Eid brach, wurde gehenkt. Zu den
Ehren der Schöffen drängten sich Fürsten, Grasen, Ritter und Bürger:
selbst Kaiser Sigismund wurde am Freistuhle zu Dortmund feierlich
unter die Wissenden aufgenommen. Geistlichen war die Aufnahme nicht
gestattet. Frei graf konnte nur ein Westfale sein.
Die Sitzungen, Frei ding, fanden am Tage an den uralten
Gerichtsstätten im Freien statt. Vor dem Grafen lagen ein blankes
Schwert zur Eidesabnahme und ein aus Weiden geflochtener Strick zur
Vollstreckung des Todesurteils. Jeder Freigraf und Schöffe konnte an
dem Gerichte teilnehmen. Hatte jemand ein vor die Feme gehörendes
Verbrechen begangen, so wurde er von einem Schöffen angeklagt; be-
kräftigte dieser mit einem Eide die Wahrheit seiner Aussage, so ward
der Angeklagte vorgeladen.
Zwei Schöffen, auch wohl der Fronbote des Freistuhls, überbrachten den
Ladebrief des Freigrafen, wenn sie kein sicheres Geleit hatten, heimlich und bei
Nacht. Konnten sie den Beklagten nicht selbst treffen, so hefteten sie den Dorladungs-
zettel an die Thür, wo der Geladene wohnte, schnitten aus derselben drei Späne als
Wahrzeichen für den Freigrafen und schlugen dreimal gewaltig gegen dieselbe. War
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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